Thursday, March 21, 2024

Vom Endkampf mit dem Wendigo

 TL;DR: Eine unaufhaltsame Macht in Form eines Wendigos trifft ein unüberwindliches Hindernis in Form der Helden und wird in einem chaotischen aber heldenhaften Kampf geklopft. Hurrah!

22.08.1361-27.08.1361

Viele Dinge sind passiert seit dem Ritual der Frostriesen, und viele Dinge sind zu tun. Aber der Fluch des Wendigo nagt am Verstand der Helden, und da muss zuerst etwas getan werden. Noch im Zapfen der Auril werden verschiedene Pläne geschmiedet und verworfen, aber es kommt kaum etwas zustande jenseits von vagen Ideen mit höheren Feuerelementaren, die gegen das Monster aus Hunger und Kälte kämpfen sollen. Die Helden entscheiden sich zu tun, was sie immer tun, wenn sie nicht weiterwissen: Ein Kurzurlaub in Theskaldera, um Antworten und Ressourcen zu finden. Die Ebenen verschwimmen, und wie immer beweist Ebenenverschiebung, dass seit der Erfindung des Spruches in den Zeiten des alten Netheril einiges an Wissen verloren gegangen ist, denn einmal mehr findet sich die Gruppe nicht dort, wo sie sein möchte. Nach etwas Sondierung der Hintergrundmagie ist klar, es sind mindestens 100 bis 120 Meilen zur Stadt, erneut in fantastischer Umgebung.

Soweit das Auge reicht, erstreckt sich unter und über den Helden ein die Gravitation ignorierender Algenwald, der aus einem Boden wächst, der knietief mit einem salzartigen Pulver bedeckt ist, durch das überall kugelige Wesen tollen, die vages Interesse an den Helden haben, aber nicht feindselig zu sein scheinen. Sie sind auch die Quelle des blassrosa Pulvers, dass alles in der Umgebung bedeckt, und von diesem geht sehr wohl eine vage Gefahr aus. Es belebt zwar den Körper, benebelt aber auch die Sinne, so dass man keine Müdigkeit verspürt, bis man vor lauter Anstrengung und Halluzinationen kollabiert, wonach man von den seltsamen Wesen verspeist wird. All dies ist wieder das Werk einer mächtigen Fee, die irgendwo in der Nähe weilt. Verweilen wollen die Helden hingegen nicht, darum umgibt die Gruppe sich mit mächtigen Zaubern und sucht das Weite, die rätselhafte Domäne der Drogenfae hinter sich lassend. Unterwegs sichtet man Ätherwurzeln, magische Pflanzenwesen, die ihre Opfer in Portale in die ätherische Ebene werfen, wo sie wesentlich mächtiger sind und sich von Essenz, Emotion und Ektoplasma ernähren. Gut, wenn man solche Dinge dank Windlauf ignorieren kann. Der Weg nach Theskaldera verläuft sonst recht ereignislos.

Noch am selben Tag landet die Gruppe praktisch unbemerkt am Rande der Metropole, denn die lokale Bevölkerung ist mit einer gewaltigen Prozession aus Mykonoiden beschäftigt, die aus den Leshy-Wäldern kommend die Stadt überschwemmen. Da sie keine Anstalten machen, irgendjemanden in ihr Kollektiv zu absorbieren, sondern vielmehr die Märkte, Akademien und Tavernen füllen, scheinen es Diplomaten zu sein und keine Invasoren. Vermutlich.

Die geistig gesunden Teile der Gruppe schwärmen aus, um den mittlerweile wieder ziemlich gewachsenen Haufen aus magischen Gegenständen zu verkaufen. Ihr Anblick verursacht bei den Händlern von Theskaldera einen vagen Anfall von Déjà-vu, gemischt mit posttraumatischem Stress. 

Die nicht zu vorher genannter Gruppe gehörenden Helden, also Aline und Arinar, gehen zu Finlen dem Satyr, weil Aline mehr über ihr Schwert und den Buschdornentrakt herausfinden will, und außerdem zu lange in der Sonne war. Finlen erinnert sich erst nicht wirklich wer sie bitteschön ist, Aline wedelt mit dem Schwert, und stellt sich mit ihrem vollen Titel vor.

Als das Wort „Buschdornentrakt“ fällt, erschrickt der Satyr, erbleicht trotz recht behaartem Gesicht sichtlich, und redet wirres Zeug vom „Namen, dem Namen! Der Name! Den Namen den sie gesagt hat“. Er scheucht mit fahrigen Bewegungen seine letzten Kunden fort, schließt den Laden und spielt seine magische Flöte, was den gesamten Stand samt ihm und Aline in einen magischen Strudel saugt, der sie am Rande von Theskaldera, ein Stück im Wald, wieder ausspuckt. Dort ist der Stand schon in mehrere Bündel gepackt und auf einen Handkarren geladen, neben dem Finlen hektisch einige arkane Gesten macht. Daraufhin öffnet sich ein schimmerndes Portal, durch welches der Handkarren geschubst wird, und neben dem sich der Satyr verbeugt und Aline sagt, sie soll schnell hindurchgehen. Gegen jede Wahrscheinlichkeit tut sie es nicht, vielleicht in der Ferne die panischen Schreie von Arinar hörend, der sich auf die Suche nach ihr gemacht hat. Sie ignoriert das Flehen des Satyrs, der beteuert es wäre die letzte Chance für…etwas, etwas wichtiges, er kann es nur nicht sagen. Aline macht kehrt, und der haarige Händler springt mit einem letzten mitleidigen Blick zurück ins Portal.

Auf halbem Weg zurück kommt ihr ein ziemlich rotgesichtiger Arinar entgegengesprintet, mit ihm gemeinsam lokalisiert sie die Gruppe und erzählt was vorgefallen ist. Alle gratulieren ihr zu ihrer weisen Entscheidung, nicht auf eine Ahnung hin mit einem seltsamen Feenwesen in ein Portal zu steigen, und Kyrol überreicht den beiden zwei ziemlich schwere Säcke mit Gold, ihr Anteil an den Gewinnen aus dem Verkauf des Plünderguts. Man macht sich auf den Weg zurück zum flammenden Phönix, vorbei an uncharakteristisch vielen komplett überladenen Ständen, an denen Händler ihren Kunden sagen müssen, dass sie absolut kein Wechselgeld haben. Der Phönix wird wieder von seinen besten Gästen besucht, die in dekadentem Luxus leben. Nur die besten Speisen und Getränke aus allen Ebenen werden kredenzt, und die besten Zimmer bewohnt, wo man sich auf unirdisch weichen Betten zur Ruhe begibt.

Nach einer eher unruhigen Nacht, die von Träumen beherrscht wird in denen recht viel rohes Fleisch und wilde Jagden im Vollmond vorkommen, schmiedet man einen Plan. Man beschließt, alles über den Wendigo zu wissen, was man wissen kann, und stattdessen sowohl sich als auch die Ausrüstung für den bevorstehenden Endkampf zu stärken. Für ersteres will Arkami ein magisches Labor mieten, welche aber alle, aber auch wirklich wirklich alle von den Mykonodien besetzt sind, die noch immer zu hunderten durch die Stadt wandern, an jeder Ecke im Weg stehen und sich entnervend stumm via Telepathie unterhalten. Das macht Arkami sauer, aber sie improvisiert eben. Die anderen heuern diverses lokales Talent an, und man begibt sich danach zwecks Trainings zu solchen Größen wie Zyos dem Halbelfen, dem Kriegerbarden Sla’sch und zwei Feenkriegern des Sommerhofes die auf eigene Anfrage anonym bleiben wollten. Es soll erwähnt sein, dass die Djann das Training gratis angeboten hätten, die Helden aber wieder mir Forderungen nach Portalen Richtung Nathoud genervt haben. Alviss und Arinar können auch gleich am ersten Tag einen seltenen Gegenstand finden, in 1-2 Meilen Tiefe unter den Brunnen der Stadt, auf den von Marids veranstalteten und passend benannten tiefen Markt. Vor vielen schillernden Portalen in die Ebene des Wassers, kaufen sie einen Scabbard of Many Blades von einem recht redegewandten Händler, der auch dafür wirbt, ihnen -20% auf alle Wassersprüche zu geben, was sie zur Kenntnis nehmen.

Nach den Erfolgen des ersten Tages macht sich ab nun der Wendigo schwer bemerkbar. Gleich in der nächsten Nacht träumt Aline davon, Kyrol bei lebendigem Leibe zu verspeisen. Kyrol selbst träumt davon, die ganze Nacht über eine furchtbare eisige Ebene gejagt zu werden. Beide sind am nächsten Tag komplett durch den Wind, und Aline sieht Kyrol zusätzlich die ganze Zeit etwas seltsam von der Seite an, mit einem Blick, der sonst für das letzte Stück Frühstücksspeck reserviert ist. Trotz dieser Avancen versucht Kyrol eine Lösung zu finden, und nach längerem Sohlen plattlaufen und Kratzfuß bei diversen Fey machen kann er aushandeln, dass Kasseia ihnen eine Audienz bei Shallanalathay, der berühmt arroganten Erzmagierin der Akademie Arcanum, ausmacht. Sie könnte den Fluch, der offensichtlich auf beiden lastet, dann brechen. Für einiges an Gold, und nichts verhindert, dass der Wendigo sie wieder heimsucht, also ist das eher etwas für nach dem erhofften Sieg über das Wesen.

Als Kyrol wieder ins Zimmer im Phönix kommt, liegt ein blutverschmierter Arinar in einer Lacke aus Schweiß mit einem Verband um den Kopf auf seinem Bett, umsorgt von einer etwas resigniert dreinschauenden Arkami.  Es stellt sich heraus, dass der sture Elf sich mit dem Fluch auf Aline gemessen hat. Ganze fünf Mal hat er sich erfolglos gegen die arkane Macht der Manifestation des Hungers und Wahnsinns geworfen. Doch trotz hämmernder Kopfschmerzen, im Migränenebel schwebender Visionen des Wendigos, Blutungen aus Ohren, Augen und Nase gab er nicht auf. Mit Hilfe seiner eigenen arkanen Macht, den Heilkräften von Arkami und dem wiederverwerteten Glückselixier von Alviss konnte er am Rande der absoluten Erschöpfung mit dem sechsten Versuch die Macht des Wesens über die Kriegerin brechen! Einen siebten Versuch hat er noch, versichert er Kyrol, und erhebt sich schwankend von seinem Lager, krempelt sich die Ärmel hoch, auf denen Schweißflecken von den Achseln bis fast zu den Handgelenken reichen, streicht sich mit kaum zitternden Fingern die wirren Haare aus dem Gesicht und intoniert einige arkane Silben. Funkelnde Runen erscheinen im Raum und legen sich in komplexen Mustern über ein Netz aus in der leeren Luft erscheinenden zornroten Linien, welche den Schurken umgeben, und beginnen sie mit ihrem Licht zu durchfluten. Für einen Moment wirkt es, als ob Arinar Erfolg hat, dann dreht sich der Fluss der Magie mit einem Peitschenschlag um, die Runen zerplatzen, und Arinar verdreht die Augen, bevor er rückwärts in die Arme von Arkami kippt, die ihn mit einem gekonnten Manöver wieder auf sein Bett hievt. Kyrol akzeptiert, dass er zumindest eine Nacht extrem schlecht schlafen wird, und besorgt Arkami im Voraus Materialkomponenten für Wiederherstellungssprüche.

Doch gleich am nächsten Tag kann Arinar dem Wendigo die Stirn bieten, auch wenn er mental einen Nasenstüber davonträgt, zumindest könnte das einer der Gründe für das starke Nasenbluten sein, dass den Elf eine Weile plagt. Den Wendigo hat es aber auch getroffen, und seine Macht scheint gerade etwas abzuebben. Zwar hat Alviss furchtbare Visionen seiner harten Jugend in Aglarond, und auch Arkami plagen blutgetränkte Alpträume, aber beide widerstehen dem Fluch. Wie als würde die Rache des Wesens in andere Bahnen gelenkt werden entgleitet Arkami, eventuell doch von den Alpträumen mehr geschwächt als sie zugeben würde, am letzten Abend ihre Magie, und nur mit Mühe kann sie verhindern, dass der Gürtel an dem sie arbeitet zu einer magischen Bombe wird.

 

28.08.1361

Nachdem laut Meinung der Helden nur wirklich alle Vorbereitungen getroffen sind, wird es Zeit für die finale Schlacht, Rashemenforscher gegen Wendigo.

Ebenenverschiebung funktioniert diesmal blendend, man findet sich in einem allen gut bekannten Wald wieder, keine fünf Meilen südlich von Nathoud. Arinar beschwört höhere Weissagungsmagie, doch beide Male widersteht der Wendigo den Auffindungsversuchen. Arkami befragt etwas konventioneller die Orakel, und auch wenn wiederum irgendetwas die Zukunft in Nebel hüllt, sie ist sich sicher, dass der Wendigo die magische Suche bemerkt hat, und kommen wird. In dieser Nacht.

Also wird das Lager aufgeschlagen, aus reiner Angewohnheit die Zelte aufgestellt, ein Feuer entzündet und die Wacht beginnt. Hoffentlich nicht zum letzten Mal.

Ulgan ist uncharakteristisch still, er starrt in die heraufziehende Nacht, oder patrouilliert wie mechanisch mit Alviss in der Gegend. Arkami liest beim Schein einer magischen Fackel, Arinar sitzt mit einer nervösen und sehr anhänglichen Aline beim Feuer, das von Kyrol versorgt wird, der gleichzeitig angespannt und gelangweilt ist.

Die Sonne geht unter, die letzten Sonnenstrahlen tauchen die fernen Gipfel in goldenes Licht, dann bricht die sternenlose, wolkenverhangene Nacht herein.

Der Wind beginnt stärker zu werden. Zuerst unmerklich, dann immer mehr. Das Wetter schlägt rapide um, dünne Äste brechen ab und lassen mit ihrem Knacken Leute zusammenzucken, bevor sich erste Schneeflocken in den Sommerwind mischen, der zusehends kälter wird. Dieses Wetter hat nichts Normales an sich, und lang wirkende Stärkungssprüche verlassen heldenhafte Lippen, die Silben vom gierigen Wind davongerissen wie geschwächte Lämmer aus der Herde. Der Sturm heult mit mehr Lärm als Kraft durch den Wald, und schüttelt dramatisch die Fichten, bevor gegen neun Uhr der letzte Widerschein am Himmel dahin ist, und es stockfinster wird. Alle kauern ums Feuer, Ulgan reicht die Jhuildflasche herum, alle trinken sich Mut an. Zuversicht ist gerade seltener als Rationen in einer Hungersnot, und die Zeit vergeht schleppender als ein langer Winter nach einer Missernte. Es wird später und später.

Dann, kurz vor Mitternacht, erblicken Alviss durch Magie, Training und illegale Substanzen auf monomolekulare Schärfe polierte Sinne den Schatten eines Schattens, dreißig Schritt im Wald, zwischen zwei Bäumen. Eine Gestalt, ausgemergelt, auf blutenden Beinstümpfen knapp über dem Boden schwebend, das Gesicht ein teilweise gehäuteter Hirschschädel mit einem Geweih, in dem Darmschlingen wie makabre Girlanden gespannt sind.

Endlich ist es so weit. Er ist hier. Der Wendigo.

Noch bevor Alviss seinen unwillkürlich verkrampften Mund aufbekommt, reißt das Wesen seine eigenen Kiefer weit auf, und der heulende Sturm wird praktisch lautlos, als das Gebrüll des Wendigos die Sinne aller Helden beutelt. Alle Vorbereitungen und Schutzsprüche sind so chancenlos wie eine Hütte im Angesicht eines Tornados, jeder rationale Gedanke wird in einen Malstrom aus Panik gesaugt und jede Sehne, jeder Muskel tanzen auf dem brennenden Adrenalinparkett die Litanei der Gejagten. Panische Schreie verklingen im Wind, und schwere Stiefel zertrampeln auf der wilden Flucht das Lagerfeuer, dessen Funken sich in die Nacht zerstreuen wie gehetzte Beutetiere.

Aber drei Helden können sich irgendwie bei Sinnen halten. Alviss glaubt seine Zähne würden im nächsten Moment explodieren, so fest beißt er sie aufeinander, dann nehmen Automatismen und Training überhand, die Atmung wird ruhiger und die schweißnasse Hand findet das Rapier. Arkami kann sich dank jahrelanger mentaler Abhärtung von ihren eigenen Gefühlen abkapseln und sucht nach einem Ziel für ihre Magie. Arinar bleibt zumindest soweit Herr seiner Sinne, dass er den vorbereiteten Spruch zum Furcht bannen loslassen kann. Seine Macht flutet aus ihm, und einige Schritt weiter hört Aline plötzlich auf mit weit aufgerissenen Augen in die Nacht zu sprinten, während Kyrol unweit von ihr aus einem Baum springt und seine Schwerter zieht. Auch Ulgan kehrt wenige Herzschläge später zurück, von Arkami wieder auf den Boden der Tatsachen gebracht. Der Hüne nickt kurz zum Dank und folgt begleitet von Aline und ihren beschworenen planaren Katzenwesen Kyrol, der wiederum Alviss folgt, welcher an die Stelle rennt, wo er den Wendigo gesehen hat. Keine Spur von ihm. Doch halt, in den Baum sind frische Runen geritzt, eine Mischung aus uraltem Rashemi und Rhaumatar.

Heute Nacht ist das Ende, heißt es hier im übertragenen Sinn. Der Wendigo will es wissen, er will eine Konfrontation bis zum Tod, also hat er diesen Bannspruch auf sich und die Umgebung gelegt, auch die Telthors erwarten nun einen Endkampf.

Arinar bringt ein, dass der Wendigo die Bedingungen des Kampfes jederzeit bestimmen kann, mit seiner mannigfaltigen Magie, und die Gruppe lieber den Rückzug antreten und einen neuen Plan schmieden soll. Kyrol bringt etwas patzig ein, dass es schön und gut ist, dass er Einzige der Gruppe der nicht schlafen muss auf Zeit spielen will. Ulgan für seinen Teil will es auch wissen, und röhrt in allen Sprachen derer er mächtig ist in den Wald. Also Common und Draconic, was mehr ist als alle ihm zugetraut hätten. Die Anspannung ist so schnell wieder verschwunden, wie sie sich aufgebaut hat, und wie immer bahnt sich überschüssiges Adrenalin in Form eines Streits seinen Weg. Arkami versucht den Wettereffekt des Wendigos zu bannen, schafft es aber knapp nicht.

Nach einigem hin und her ist man sich einig, die beste Chance hat man, wenn man den Kampf vom offenen Gelände in eine Höhle verlegt, einerseits damit man weiß, von wo der absurd schnelle Gegner kommt, andererseits damit es weniger Möglichkeiten gibt, dass einzelne Gruppenmitglieder davonrennen. Kyrol führt durch Nacht und Wind, er führt sie eilig, er führt sie geschwind, und er wird dauernd von Telthors behindert, die wohl alle unbedingt wollen, dass der Kampf genau bei ihrem heiligen Baumstumpf stattfindet. Trotzdem erreichen alle kurz vor Mitternacht eine kleine Höhle, die Kyrol und Aline von früheren Jagdausflügen kennen. Sie ist nicht ideal, denn sie hat zwei Ausgänge, aber sie tut ihren Zweck. Unterwegs erhalten sie willkommene Verstärkung, Sirasi gesellt sich zu ihnen, nachdem sie ihre rätselhaften Wychlaranangelegenheiten Schlag Mitternacht erledigt hat.

29.08.1361

Man bezieht in den ersten Minuten des neuen Tages Stellung in der Höhle, die vage geformt ist wie ein Angelhaken, mit einem schmalen Kamin auf der einen, und einem größeren Eingang auf der anderen Seite. An beiden stehen die Katzen von Aline und halten Wache, während der Streit über die genaue Vorgehensweise immer wieder aufflammt. Krux ist, es wird wohl nicht möglich sein einen Feind wie den Wendigo, der vielerlei Arten der Reisemagie mächtig ist, unter wirklich idealen Bedingungen zum Kampf zu zwingen. Man muss wohl drauf vertrauen, dass er ehrlich eine entscheidende Konfrontation bis zum Letzten will, und die Helden jetzt nicht langsam ausblutet und nach und nach verschlingt. Keine angenehmen Bedingungen für die Rashemenforscher, die es gewohnt sind, die Umgebung und Konditionen eines Kampfes selbst zu entscheiden. Oder in Hinterhalte zu geraten. Dieses Warten wie der Bär in der Grube nagt am Nervenkostüm.

Gegen 01:00 verschwinden die von Aline beschworenen Katzen. Arkami verliert endgültig die Geduld und geht zum Höhleneingang. Dort sieht sie außer dem nächsten Baum, der sich im Sturm beutelt wie ein Barbar, dem eine Flasche Jhuild hochkommt, nichts. Sie beschwört magisches Tageslicht, was ihr außer einigen Dutzend Metern schneedurchfegtem Wald nichts weiter offenbart. Sie, Kyrol und Alviss stehen eine Weile herum und warten, dann gehen sie etwas betreten wieder hinein.

Doch noch bevor der nächste Streit entbrennen kann, kehrt die Inkarnation des Hungers und Wahnsinns zurück, vielleicht geleitet vom Tageslichtfanal vor der Höhle, und lässt erneut sein nervenzerfetzendes Gebrüll ertönen, dass durch den Wald heult und noch eine Meile entfernt unschuldige Vögel tot aus ihren Nestern fegt. Mit scheußlich anzusehenden ruckartigen Bewegungen rast das Wesen in die Höhle und verbeißt sich in Arkamis Schulter. Nur die mächtige Freiheitsmagie auf dem Orakel verhindert, dass sie in die Nacht gezerrt wird. Arkami ihrerseits grinst, hebt die Hand, und lässt zerstörerische, heilige Magie in den Körper ihres Gegners fahren. Der kann der sofortigen Auflösung zwar widerstehen, aber zum ersten Mal seit langer Zeit erfährt er am eigenen Leib Schmerzen, und er ist nicht erfreut. Der Rest der Gruppe ist unterschiedlich gut mit dem Angriff umgegangen. Arinar hat wiederum Aline von ihrer Furcht befreit, für Kyrol und Ulgan ist keine Magie über, sie klammern sich in einer Ecke aneinander. Alviss kann nur dank einigem an Glück die Nerven behalten und macht mit leicht feuchter Hose einen anatomisch implausiblen Ausfallschritt quer durch den Kampf, um den Wendigo zum Zweikampf Halbelfenmann gegen Horrorhirsch zu fordern, begleitet von einer Barrage an anderen Effekten, die jeden Kampfmagier vor Neid erblassen lassen würde und dennoch nach den hohen Ansprüchen von Alviss nur mittelmäßig effektiv ausfällt. Aline nutzt die althergebrachte traditionelle Rashemimethode Schwert-schnell-und-fest-gegen-Feind und schneidet Arkami aus den Fängen des Wesens.

Die nächsten Herzschläge sind gelinde gesagt sehr ereignisreich. Aline und ihr psychisch jubilierendes Schwert reißen tiefe Wunden in den Wendigo, der ihr aber selbst im Gegenzug in Windeseile dutzende Wunden beibringt. Sie balgen sich kurz wie wütende Katzen, bevor Aline beginnt durch Blutverlust an Kraft zu verlieren, und vom Wendigo Richtung Höhleneingang und einem furchtbaren Schicksal gezerrt wird. Arinar teleportiert sich neben sie, greift ihre Schulter und faltet den Realraum um sich und die Kriegerin, sie in Sicherheit bringend. Der nun gegnerlose Wendigo spürt den kalten Stahl von Alviss Rapier, kurz bevor ihn zum zweiten Mal in folge heilige Magie von Arkami kritisch beutelt. Wieder kann er der Auflösung widerstehen, aber er nimmt einiges an Schaden. Noch mehr, als ein von Sirasi von seiner Furcht befreiter Ulgan mit einem donnernden Kriegsschrei in den Kampf walzt, die Krallen des Wendigos mit seiner Leibesfülle fängt und trotz klaffender Wunden in Rüstung und Wanst wie ein Besessener auf seinen Kontrahenten einschlägt, ohne auch nur langsamer zu werden.

Die quasigöttliche Manifestation des Kannibalismus sieht sich mit den Konsequenzen ihres Handelns konfrontiert und beschließt, dass der Kampf, den sie selbst provoziert hat, nicht zu gewinnen ist. Mit einem lauten, immer dünner werdenden Schrei beginnt sich das Wesen in Nebel aufzulösen, um zu fliehen und später Rache zu nehmen. Aber erst muss es entkommen.

Arkami hat diese feige Aktion kommen sehen und ist mit bannender Magie bereit. Ihre Hände fahren hoch, von einem Nimbus heiliger Macht umspielt, der schlussendlich aber nicht gebraucht wird. Alines Kampfinstinkte lassen das Schwert des Buschdornentrakts an mehreren ihrer Kameraden vorbei schnellen, und dass er jetzt körperlos ist, rettet den Wendigo nicht. Die Klinge trinkt gierig abartiges Blut, und eine unglaublich ekelhafte, verrottete Ansammlung von vage rehartigen Knochen klatscht zu Boden, alles um sich mit stinkendem Sekret bespritzend, während ein Geruch wie von tausenden Schlachthäusern im Sommer in sämtliche Nasen eindringt wie eine Tuiganhorde durch ein offenes Tor.

Die Helden wissen was zu tun ist, und noch bevor der erste Knochensplitter auch nur an Regeneration denken kann, hagelt es Flammenschläge, Feuerblitze, Alchemieflaschen und sogar eine gut gemeinte Fackel auf die Überreste, die sich schneller entzünden als eine schlecht versorgte Wunde. Die Flammen verzehren die Leiche, als wäre sie mit Öl getränktes Stroh, und ein markerschütternder Schrei, diesmal nicht vor Hunger und Wahnsinn, sondern vor Wut und Verzweiflung über die endgültige Niederlage, hallt meilenweit durch die Nacht, als die Essenz des Wendigo in den Äther verbannt wird, hoffentlich für alle Zeiten.

Nachdem die letzten Echos vergangen sind, wirkt die Abwesenheit des absoluten Bösen transformativ auf die Umgebung. Die Höhle wirkt plötzlich richtig einladend, und noch während die letzten Reste unnatürlichen Sekrets verdampfen, fällt die Anspannung wiederum ab.

Aber diesmal durchflutet Erleichterung die Helden, die wieder einmal das unmögliche geschafft haben. Alle gratulieren sich ringsum, schütteln sich die Hände und fallen sich in die Arme. Selbst Aline und Ulgan tauschen gutmütige Beleidigungen aus, zum ersten Mal eher wie Freunde als wie Lieblingsfeinde. Alviss und Kyrol fachen das Feuer wieder an, alle setzen sich, und Sirasi kramt ihren eigenen Jhuildvorrat hervor, der enthusiastisch herumgereicht wird.

Schnell sind alle in Feierlaune, und zu den Klängen von Alviss Instrument ertönt ein enthusiastisch gegröltes Siegeslied aus der Kehle von Ulgan, zu dem eine schwankende Sirasi und ein etwas nachdenklicher Kyrol, der den Arm um Arkami gelegt hat, einstimmen. Aline dreht sich nach der dritten Runde zu Arinar, und küsst ihn unter dem tosenden Applaus von Ulgan leidenschaftlich, während die Rashemenforscher in einer nun wunderschönen und wolkenlosen Nacht unter den Sternen feiern, wo der vielfarbige Glanz tanzender Nordlichter sich funkelnd im unsaisonalen Schnee spiegelt, der bis zum Morgen geschmolzen ist wie die Sorgen der Helden.